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Beleuchtung im römischen Reich

Interview mit Laurent Chrzanovski

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Published: 5 Jan 2022
„Anfangs waren Öllampen konkave Behälter mit zusammengepressten Rändern, in denen der Docht saß. Aus einer abgelegenen Region wie der phönizischen Kultur, die die mesopotamischen Prototypen aufnimmt, erobern sie den Mittelmeerraum.“ Ein Interview mit Laurent Chrzanovski, Experte und Universitätsdozent für römische Archäologie über Beleuchtungsmittel in der Antike. Chrzanovski arbeitet seit über 25 Jahren zum Thema der künstlichen Beleuchtung in antiker und spätantiker Zeit und hat durch die Forschung zu Öllampen Anstoß zu anthropologischen, sozialwissenschaftlichen, religionswissenschaftlichen und makroökonomischen Untersuchungen gegeben. Er hat zahlreiche Bücher verfasst und herausgegeben (41 sind es heute), über hundert wissenschaftliche Artikel geschrieben und Dutzende internationale Ausstellungen kuratiert, die alle von einem Katalog für die Besucher begleitet waren. Seine Publikationen untersuchen archäologische Stätten und Museen in der Schweiz, in Frankreich, Italien, der Krim, Rumänien, Bulgarien, Ägypten und dem Nahen Osten. Zwei seiner Arbeiten sind empfehlenswert, um seine Forschung am Schnittpunkt von Archäologie, Soziologie und Ökonomie kennenzulernen: De Prométhée à la Fée Electricité und Firmalampen: an abundantly-produced lamp-type almost never used?, die beide frei online erhältlich sind. 2003 gründete Chrzanovski den Internationalen Verband für Lychnologie, der antike und mittelalterliche Beleuchtsformen studiert und dem über 230 Forscher aus 39 Ländern angehören.
Beleuchtung im römischen Reich

Ausgewählte Publikationen von Laurent Chrzanovski

Was ist Lychnologie? Mit welchen Funden aus welcher geschichtlichen Epoche beschäftigt sie sich?
Lychnos ist der griechische Begriff für „Öllampe”. Den Neologismus „Lychnologie” haben englische Forscher eingebracht; ich habe ihn aufgenommen, weil in der Sphäre der Archäologie von den Phöniziern bis zur arabischen Eroberung des Mittelmeerraums eine spezialisierte Plattform für das Studium dieser Materie fehlte: die Produktionszentren der Öllampen, die Routen, die Dynamiken von Übernahme, Abkupferung, Ablehnung usw. Unter „Öllampe” verstehen wir ein Objekt, das zur Aufnahme eines Dochts und eines flüssigen oder festen Brennstoffs erzeugt wurde. Der allgemeine Begriff „lampada” (Lampe), den wir heute im Italienischen und Deutschen benutzen und den die Genueser eingeführt haben, stammt vom Griechischen lampàs ab, das alle Instrumente künstlicher Beleuchtung meinte (Fackeln, Wachskerzen usw.).

Weshalb ist es wichtig, die Beleuchtungsmethoden der alten Römer zu kennen?
Die Archäologie im Allgemeinen bietet nicht nur Bestätigungen historischer Fakten, aber ermöglicht auch eine Neuschreibung der Geschichte. So war das Römische Reich kein militärisches Reich, wo alles standardisiert war, wie man es uns in der Schule lehrt. Es gab eine Standardisierung, aber es gab noch viel mehr. Meine Generation setzt die klassische Archäologie mit der der römischen Provinzen gleich: Dagegen gab es im Reich eine unglaubliche ikonographische Vielfalt; zum Beispiel gibt es in Bezug zu den schönen römischen Öllampen mit verzierten Bögen beispielsweise abgrundtiefe Unterschiede zwischen dem Geschmack der romanisierten Bevölkerung des germanischen limes und jener Nordafrikas, im heutigen Tunesien oder Algerien.
Beleuchtung im römischen Reich

Ein Beispiel für ein “industrielles Design” ante litteram: Eine Öllampe, die so gebaut war, dass sie platzsparend gelagert werden konnte.

Öllampen waren niemals ein Exportschlager und benötigten daher keine riesigen Frachtschiffe für ihren Transport. Es handelt sich also um Kollateralgüter, die in mikro- und makroökonomischer Perspektive zunehmend stärker untersucht werden, auch um zu verstehen, wer von wem abgekupfert hat. Wir kennen die großen Werkstätten in Mittelitalien und Kampanien, in Nordafrika und Kleinasien, deren Erzeugnisse im gesamten Reich verbreitet waren, aber Formen und Motive hatten ihre eigene Entwicklung. Dank der Mittel, die uns Heutigen zur Verfügung stellen, wie mikroskopische oder keramologische Analysen, können wir auch erkennen, mit welchem Brennmaterial sie betrieben wurden. Es ist ein Mythos, dass Öllampen mit Olivenöl befeuert wurden, aber gesichert ist, dass Öl teuer war und drei Viertel aller Provinzen nicht erreichte.

Die Lychnologie arbeitet also eng mit Chemie und Physik zusammen?
Ja. Jüngst lieferte eine Untersuchung eine Erklärung auf eine nie geklärte Frage: Weshalb sich in den römischen Öllampen Portugals Salz befindet. Man hatte zuvor angenommen, dass es sich um Residuen aufgrund der Nähe zum Meer handelte. Aber in Wirklichkeit sollte das Salz den flüssigen Teil des Öls absorbieren und nur den nicht brennbaren Teil belassen. Die 20 oder 30 Berufsgruppen, die heute mit der Archäologie zusammenarbeiten, helfen uns sehr zu verstehen, wie die Menschen damals lebten und welche Beziehungen zwischen verschiedenen und augenscheinlich nicht miteinander verbundenen Orten herrschten. Als kleine Gegenstände wurden Öllampen bisher vernachlässigt, es ist noch viel nachzuholen.

Können wir auch etwas rekonstruieren, das wir heute Lichtanlage nennen oder gar ein Lighting Design der Epoche festmachen?
Dank der französischen Ausgrabungen auf Argos und anderen griechischen Inseln, die Villen oder domus zutage gefördert haben, wissen wir immer mehr über diesen Aspekt. In jüngeren Ausgrabungskontexten konnte nachgewiesen werden, dass für die Beleuchtung eines 30 qm großen Zimmers etwa 70 Öllampen benötigt wurden und wir sehen genau, wo sich diese befanden. Dann gab es jene, die Zugang zum Luxus hatten und sich bronzene Öllampen und Kandelaber leisten konnten, während andere im Dunkeln lebten.
Beleuchtung im römischen Reich

Anzünden von Öllampen während einer religiösen Zeremonie

Welche Rolle spielte das Aufkommen und das Wachstum der christlichen Kirche dabei?
Mit dem Aufkommen der christlichen Kirche entstand ein neues Handelsgut: Wachs. In der Kirche Konstantinopels des 3. Jahrhunderts entstand der Mythos, dass die ideale Gesellschaft die der Bienen sei, es also nichts Nobleres gibt, als eine Wachskerze zu spenden. Manche verschuldeten sich dabei und hinterließen alle ihre Ländereien und ihre Sklaven, um die Beleuchtung einer einzigen Kirche zu garantieren. Dabei sehen wir auch, dass Europa nie autark gewesen ist, sondern immer auf riesige Importmengen angewiesen war. Um sich den Markt mit slawischem Wachs zu sichern, begann sich in der germanischen Welt die Hansa herauszubilden, während die Mittelmeerregion umfangreichen Handel mit den muslimischen Ländern führte, die Wachs als tierische Absonderung ansahen und seine Nutzung untersagten. Im Französischen heißt „Kerze“ bougie, und dieser Begriff stammt von Béjaia, dem Namen eines großen Hafens in Algerien, ab. Dieser Handel stand unter strenger Kontrolle des Ostreichs: Kein Bürger durfte ein Wachs-Monopol haben, denn private Händler hätten versucht, das Wachs mit tierischen Fetten zu strecken, um die Kosten zu senken. Für die Kirche war Wachs auch ein Riesengeschäft, denn jedes Mal, wenn Geld für eine Kerze gespendet wurde, brannte diese während der Messe zwar ganz herunter, die Wachsstücke wurden aber wieder zusammengesetzt, so dass die Kerze erneut verkauft werden konnte.
Beleuchtung im römischen Reich

Lichtrituale im alten Rom und im heutigen Indien

Um das Licht haben sich auch Glaubensformen und politischen Symboliken entwickelt. Beschäftigen sich Archäologen auch mit diesen Themen? Ja sicher, Ziel der Archäologie ist es, über die Archäologie hinauszugehen. Da gibt es verblüffende Analogien. So ähnelt das heutige Indien in einigen Merkmalen dem antiken Rom. In Indien wird jede Parlamentssitzung mit dem Entzünden der heiligen Öllampe eingeleitet – in unserem Bild weiht der Premierminister Modi gerade die erste Sitzung des Jahres ein. Es ist dasselbe Machtsymbol, das es bereits im alten Rom gab: Vor den Quästoren der republikanischen Zeit und später den Kaisern und den Höflingen liefern auch tagsüber Menschen, die Öllampen und Fackeln hielten. In einer fortschrittlichen Gesellschaft wie der Roms war das schlimmste anzunehmende Ereignis das Erlöschen des Vestalinnenfeuers: eine Katastrophe für die damalige Zeit.