Ein Mann und eine Frau spazieren durch einen nächtlichen Garten: Das Licht der Straßenlaternen bricht sich im Himmel in einem weißen Fleck, der über dem Dunkel der Szene thront. Der Mann ist Herman Mankiewicz (Gary Oldman), Drehbuchautor Hollywoods in seinen goldenen Zeiten, die Frau Marion Davies (Amanda Seyfried), eine ins Kino gewechselte Tänzerin, deren Karriere von William Randolph Hearst, dem Zeitungsmagnaten, gefördert wurde. Die Szene wurde tagsüber mit einem Nachteffekt gedreht. Damit sich die Silhouetten der Charaktere vom Hintergrund gut abheben, wurden viele Lichter eingesetzt, von denen einige den Schauspielern direkt ins Gesicht strahlen: Um ihre Augen vor dem intensiven Licht zu schützen und Blinzeln zu vermeiden, trugen Gary Oldman und Amanda Seyfried für diese Szene getönte Kontaktlinsen.
Dies ist nur eines von vielen Kniffen, derer sich Erik Messerchmidt, Oscar für beste Kamera 2021, für den von Netflix produzierten Film Mank in der Regie von David Fincher bediente.
Der Film wurde direkt in Schwarz-Weiß gedreht, wofür viele Spezialtechniken und -effekte auf kreative Art und Weise eingesetzt wurden, um die Atmosphäre der Filme der 30er und 40er Jahre zum Leben zu erwecken: So erzeugt die Theaterbeleuchtung dramatische Lichtkegel und der Einsatz von Rauch ermöglicht es den Bildern, in einem Nebel zu wabern, der das Schwarz-Weiß aufweicht.
Mank erzählt die Geschichte von Herman Mankiewicz, einem Drehbuchschreiber der goldenen Epoche Hollywoods, der von Orson Welles (Tom Burke) angeheuert wird, um das Drehbuch für Citizen Kane zu schreiben. Während Mankiewicz in einem Bungalow der kalifornischen Wüste arbeitet, vermengen sich Vergangenheit und Gegenwart in einer Reihe von Flashbacks, die aus Mank einen Film über das Kino und das politische und wirtschaftliche Leben der Vereinigten Staaten und einer seiner größten Industrien, nämlich Hollywood, machen.
Die Kamera von Messerschmidt vermeidet dabei die Strategien des Appropriation Cinemas um seiner selbst willen. Dafür evoziert sie die von Kameramann Gregg Toland für Citizen Kane geschaffene Fotografie und verstärkt den in diesem Film verwendeten Verweismechanismus in seiner Geschichte eines der größten Drehbuchgenies Hollywoods und eines Meilensteins des Kinos wie Citizen Kane.
Beim Aufbau der Erzählstruktur, die vom kontinuierlichen Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit lebt, kommt dem Licht eine fundamentale Rolle zu. Die Flashbacks in der Handlung werden von Übergängen eingeleitet, die sich auf theatrale Art auf das Dunkel öffnen und schließen: Die Erinnerungen fallen ins Schwarz und eröffnen Zeitfenster zwischen Gegenwart und Vergangenheit.
Beim Aufbau der Erzählstruktur, die vom kontinuierlichen Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit lebt, kommt dem Licht eine fundamentale Rolle zu.
Häufig ist das Licht dabei diegetisch: Eine sich öffnende Tür, die eine Person erhellt – der auf dem Bett liegende, betrunkene Mank – wird zu einem Scheinwerfer aus den Filmsets der damaligen Zeit, der sich einschaltet und einen Lichtkegel auf die Szene wirft. Lampen, Kronleuchter, Feuer erzeugen einen Lichthof, der mit der Umgebung verschmilzt, die Winkel ins Dunkel stürzen lässt und urplötzlich Gesichter heraushebt. Die Sonne wird in den Außenszenen von der Kamera Messerschmidts in ihre Schranken verwiesen, der sie unterläuft, ihre Strahlung bändigt und durch Scheinwerfer Gegenlicht erzeugt.
Mank ist das Ergebnis zwischen dem Wirklichen und dem Illusorischen: Die in der Postproduktion erzeugten Filmrisse, die den Film in eine Fake-Vergangenheit transponieren, lassen eine gewissen Nostalgie an der goldenen Epoche des Kinos entstehen, in der Filmemacher und das Publikum zugleich in einer Welt des Zaubers und der Wunder lebten. Mank nimmt dieses melancholische Gefühl auf und erzeugt ein Filmerlebnis, das einer anderen Epoche anzugehören scheint.